Heimnetz: Alternativen zum Netzwerkkabel

Mit steigenden Internetbandbreiten steigt auch der Anspruch ans eigene Heimnetz – man möchte das Interneterlebnis ja auch im ganzen Haus nutzen. Während der Autor keinerlei Zweifel daran offen lassen will, dass eine hauseigene Netzwerkverkabelung zum besten Endresultat führt, ist diese gerade in älteren Häusern selten vorgesehen und aufgrund ihrer sternförmigen Struktur oft schwer flächendeckend aufzubauen. Doch auch wer keine Wände aufreißen möchte, kann in den Genuss eines Heimnetzwerkes kommen. Allerdings mit kleinen oder großen Einschränkungen. Dieser Beitrag soll einen oberflächlichen Einblick in Verkabelungsmöglichkeiten geben und vor allem eine Auswahl von Alternativen darstellen.

Die Musterlösung: Netzwerkverkabelung

PatchfeldGenerell wird eine Heimnetzverkabelung sternförmig angelegt, d.h. alle Netzwerk-Verlegekabel laufen von einem zentral im Haus oder der Wohnung gelegenen Patchfeld in einzelne Netzwerkdosen. Das Patchfeld bietet prinzipiell eine große Zahl an Netzwerkdosen, die mittels Patchkabeln mit Router bzw. Switch oder anderen Geräten verbunden werden können. An die Netzwerkdosen, die im Haus verteilt sind, können Endgeräte, z.B. PCs, Laptops oder IP-Telefone direkt angeschlossen werden.
Netzwerk-Verlegekabel sind für ihre Aufgabe gebaut worden: Mit verdrillten Adern und einer Schirmung sind sie für hohe Frequenzen ausgelegt und können Bandbreiten im zweistelligen Gigabit-Bereich bis zu Längen von 100 Meter (ohne Verstärkung) annähernd verlustfrei realisieren.
Zu erwarten ist eine Verbindung mit Latenz deutlich unter einer Millisekunde Illustrationund Bandbreiten von 1 Gigabit oder gar mehr.
Nachteil ist allerdings, dass für die sternförmige Verkabelung viele Wände bzw. Decken mehrerer Räume für die Verlegung genutzt werden müssen. Das kann eine massive bauliche Herausforderung darstellen. Wer neu baut oder groß renoviert, sollte aber im 21. Jahrhundert auf eine Netzwerkverkabelung nicht mehr verzichten.

1) Die kabellose Alternative: WLAN

Jeder nutzt es. Die kabellose Heimvernetzung. Hierbei wird ein Access Point (in vielen Routern, z.B. FritzBox, bereits integriert) möglichst zentral in der Wohnung aufgestellt und Endgeräte können kabellos darauf zugreifen.
Das ist simpel, einfach und für den Heimgebrauch oftmals völlig ausreichend. Bauliche Maßnahmen sind nicht erforderlich.
Allerdings gibt es Hindernisse: Oftmals ist die Reichweite nicht ausreichend. Massive Decken und Wände können die Signalausbreitung hemmen und somit die Übertragung und Reichweite des Netzes schnell beeinträchtigen.
WLAN-Verstärker (sog. Repeater) können hier begrenzte Abhilfe schaffen. Jeder zusätzlich eingesetzte Verstärker in einer Verbindung führt zu Verlusten.
Dies zeigt sich neben der Bandbreite auch in Form von Paketdatenverlusten und langen und schwankenden Latenzzeiten.
Wer sein Internet zum Abrufen von E-Mails und dem Surfen im Web nutzt, der wird von diesen Verlusten wenig mitbekommen. Bei der Datenechtzeitkommunikation, wie sie bei Sprach- und Videotelefonie oder bei Online-Spielen gebraucht wird, macht sich eine schwache WLAN-Verbindung hingegen schnell bemerkbar: Ein vom Gegenüber gesprochenes Wort ist plötzlich abgehakt oder das Ballerspiel hängt kurz und bei erneutem Verbindungsaufbau wurde der eigene Charakter erschossen.
Realistisch kann man bei guten WLAN-Verbindungen mit Verlusten der Latenzzeit von 3-6 Millisekunden und Bandbreiten im niedrigen dreistelligen MBit/s-Bereich rechnen. Hersteller bewerben höhere Bandbreiten, diese sind aber in Realität selten (nie) zu messen.

2) Netzwerk über Stromnetz

Hier nutzen wir eine Verkabelung, die höchstwahrscheinlich schon da ist. Ganz im Gegensatz zu WLAN lockt das Netzwerk über Stromnetz (auch bekannt als Powerline oder dLAN) mit einer stabilen Verbindung und wenig Verlusten, gerade bei der Latenz.
Dazu werden zwei oder mehrere Adapter in vorhandene Steckdosen des Hauses eingesteckt und bilden innerhalb des Stromnetzes ein eigenes Netzwerk, indem sie die Amplituden des Wechselstromes leicht modulieren. Die Datenübertragung erfolgt grundsätzlich verschlüsselt, so dass der Nachbar, der im selben Stromnetz ist, nicht mithören kann.
Die Stolperfallen sind hier deutlich unsichtbarer als beim WLAN: Ein Stromnetz hat eine eigene Struktur. So kann es sein, dass Küche und Esszimmer sich zwar eine Wand teilen – nicht aber einen Stromkreis. Folglich ist die Verbindung von der Küche ins nahegelegene Esszimmer eventuell schlechter als von der Küche zum weit entfernten Keller. Unterschiedliche Phasen, galvanische Trennung oder elektrische Störquellen können die Verbindung negativ beeinflussen. Auch wenn es machbar ist, ein Signal durch Übersprechen über Phasen hinweg oder gar sogar über mehrere Stromzähler zu schicken, ist dies nicht ohne Verluste möglich.
Ob das Netzwerk über Stromnetz im Einzelfall eine Lösung darstellt, kann am besten durch einen Praxistest festgestellt werden.
Eine gute Verbindung kommt mit Latenzzeiten von rd. 3 Millisekunden und Bandbreiten bestenfalls im kleineren dreistelligen MBit/s-Bereich daher. Allerdings sind die Paketdatenverluste bei dieser Verbindungsart in der Regel deutlich weniger als beim WLAN, was auch gerade für Videotelefonie oder Online-Gaming interessant ist. Auch hier gilt: Die gemessene Bandbreite ist so gut wie immer geringer, als die, die der Hersteller auf die Packung schreibt.

3) Knupp&Dalles stellt vor: Netzwerk direkt mit dem Telefonkabel

Telefonkabel mit SchirmungDiese Lösung kann man nicht kaufen, sie ist viel mehr schon da. Allerdings ist sie, wie die Überschrift es andeutet, ein Missbrauch von Technik.
Ein herkömmliches Telefonkabel mit 4 bzw. 8 Adern ist nicht auf den Netzwerkbetrieb ausgelegt. So haben ältere Telefonkabel zum Beispiel keine verdrillten Adern, keine ausreichende Schirmung und die falsche Beschaffenheit des Kabels. Damit sind sie zur Übertragung hoher Frequenzen wenig geeignet.
Doch wenn nicht gerade viele Kabel in einem Kanal bzw. Rohr liegen, die sich gegenseitig stören können, ist es machbar, hierüber ein Netzwerksignal zu schicken. 4-adrige Telefonkabel schaffen 100 MBit/s auf rund 35 Meter, 8-adrige Telefonkabel 1 GBit/s auf rund 20 Meter. Bei diesen Angaben handelt es sich um Erfahrungswerte, nicht um Garantien oder Normen.
Oftmals erzielt man so auf kurze Distanzen bessere Bandbreiten als bei WLAN oder Powerline. Latenzzeiten und Paketdatenverluste sind ähnlich wie bei einer „richtigen“ Netzwerkverkabelung minimal.
Auch die Kosten sind minimal. Lediglich Netzwerkdosen müssen beidseitig angeschlossen und installiert werden.
Doch die Sache hat einen offensichtlichen Haken: Das Telefonkabel ist dafür nicht gedacht. Ob es dennoch unter gegebenen Bedingungen einfach als Netzwerkkabel missbraucht werden kann, zeigt der Praxistest. Eine solche Installation erfolgt immer unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung oder Garantie. Das Endergebnis ist als Übergangslösung zu betrachten, die aber durchaus die Zeit bis zum Aufbau des Heimnetzes überbrücken kann und oftmals überraschend gute Verbindungswerte bringt.

4) Für die Profis: Hausinterne Modemverbindung mit dem Telefonkabel

Viel professioneller kann man ein Telefonkabel auf andere Art für das Heimnetzwerk einsetzen. So ist es durchaus möglich, hausintern eine Modemverbindung auf Basis von VDSL-Technik aufzubauen.
Über zwei Adern eines Telefonkabels können hierdurch Bandbreiten von max. 100 MBit/s (Up- und Download) auf Distanzen von bis zu einem Kilometer aufgebaut werden. Auch hier winken niedrige Latenzzeiten und annähernd keine Paketdatenverluste. Nachteil ist allerdings, dass hierfür spezielle Hardware angeschafft werden muss. Alleine für zwei Master-/Slave-Modems für eine Direktverbindung darf man hier mit Kosten von rd. 250 EUR rechnen. Anschlussmaterial und Installation kommt hinzu. Ein weiterer Nachteil ist auch die bereits erwähnte Obergrenze von 100 MBit/s bei der Bandbreite.

5) Vorhandenes SAT-Kabel nutzen

SAT-KabelKoaxialkabel wurden in Privathaushalten meist für Satellitenfernsehen eingebaut. Aber dank ihrer guten Schirmung von Innen- zu Außenleiter sind sie prädestiniert für den Netzwerkbetrieb. So fanden sie auch in frühen Netzwerken des vergangenen Jahrhunderts ihren Einsatz.
Auch heute kann das Koaxialkabel mittels teurer Hardware noch für Heimnetze eingesetzt werden. Hier sind Bandbreiten von annähernd einem Gigabit möglich und das bei einer sehr stabilen Verbindung mit niedrigen Latenzzeiten.
Dank intelligenter Verfahren können SAT-Frequenzen herausgefiltert werden und das vorhandene Kabel kann weiterhin auch zum Fernsehen genutzt werden.
Einziger Nachteil ist hier der Preis: Für eine Direktverbindung sind rund 500 EUR an Materialbedarf zu beziffern.

Anmerkung

Oben genannte Alternativen beschreiben immer die Möglichkeit, eine Verbindung von einem zum anderen Punkt aufzubauen. Welche davon die Beste ist, hängt von der Umgebung ab: Jedes Gebäude ist anders. Oftmals nutzt man mehrere der oben genannten Möglichkeiten, um zum Ziel zu kommen.
Was wirklich am Besten funktioniert und welche Kompromisse man besser verkraftet, das zeigt letztendlich nur die Praxis.
Damit haben alle genannten Alternativen eines gemeinsam: Eine Garantie für Zufriedenheit bringen sie nicht.

Fazit

Es gibt viele Möglichkeiten, um sich die Heimvernetzung ganz oder teilweise zu ersparen. Doch mit steigenden Ansprüchen wird irgendwann die eingangs genannte klassische Netzwerkverkabelung zur besten Lösung.